ASYL

01.11.2021

DER HYBRIDE KRIEG

Es vergeht kaum ein Tag, dass ich in den Fernsehnachrichten nicht Bilder aus Brandenburg oder aus Sachsen zu sehen bekomme. Die Szenen sind immer gleich. Über eine Brücke aus Polen kommende Geflüchtete, die dann auf der deutschen Seite von der Bundespolizei in Empfang genommen werden. 

Oder der Kastenwagen auf der grünen Wiese. Polizei und Mitarbeiter der Spurensicherung in weißen Anzügen. Mir, dem Zuschauer, wird mitgeteilt, dass ein Geflüchteter während der Fahrt erstickt sei. Nichts erfahre ich über dem Toten, kein Wort zu seinem Schicksal. Hatte er einen Namen? Woher kam er? Reiste er allein?

Allmählich kann ich es nicht mehr hören: Jedem Bericht im Fernsehen wird reflexartig hinzugefügt: „Aber die Grenze zu Polen bleibt auf jeden Fall offen“. 

Ja, klar. 

Wie üblich warnt die Polizeigewerkschaft schon mal in den Medien vor einem „Kollaps“.[Fußnote 1] Oder vor dem Zusammenbruch der Aufnahmeeinrichtungen in Brandenburg und in Sachsen. Zu erwarten ist, dass sich die Terminologie noch verschärfen wird.

Ich höre immer wieder von einem Krieg, von einem „hybriden Krieg“, den einige Diktatoren gegen uns führen sollen. Die Soldaten dieser Kriegsherren seien die Flüchtlinge. 

Hallo? Geht es noch?

Anscheinend sind viele Politiker wieder oder noch im Wahlkampfmodus. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen fordert den geschäftsführenden Außenminister Heiko Maas auf, „direkten Kontakt mit Moskau aufzunehmen, um die Sache zu stoppen“.[Fußnote 2] Der Vorgang sei „Teil einer hybriden Kriegsführung“.[Fußnote 3] In diesem Fall ist also der Oberbefehlshaber der „Bösen“, der Präsident Russlands – Putin. Der geschäftsführende Bundesinnenminister sieht aber im Gegensatz zu seinen Landesministern den belarussischen Präsidenten, Alexander Lukaschenko, als oberste Heeresleitung des Gegners.

Ich sehe in den Fernsehberichten Geflüchtete, die schon in Deutschland in einem Wohnheim angekommen und dort untergebracht sind. Junge Männer aus Syrien, Irak, Jemen, Afghanistan oder Kurdistan, die glücklich erscheinen. Sie wollen hier erst studieren und dann arbeiten. Seinen Alter gibt einer der Männer mit 35 an. 

„Wir haben eine neue Fluchtroute“, teilt uns dann einer in solchen Filmschnipseln – meist einer von diesen Frau Merkels „Migrationsforschern“ – die Lage aus dem Blickwinkel der Wissenschaft mit. Jedes Mal frage ich mich, wo kann einer bitte sehr „Migration“ studieren, um Migrationsforscher zu werden. 

Übrigens so frisch ist diese Route über dem nationalen Flughafen Minsk inzwischen auch nicht. 

Erst mit dem Flieger nach Belarus, dann weiter über Polen nach Brandenburg und Sachsen. Diese Belarus-Connection ist schon seit einigen Jahren in Betrieb, fand aber nicht allzu große Erwähnung weder in den Medien, noch in der Politik. Nicht wenige Geflüchteten über Belarus nach Deutschland. Denn diese Route ist teuer. Diese Route kann nur mit ortskundigen Schleusern und mit Unterstützung, der belarussischen Sicherheitskräfte begangen werden, denn nur diese wissen, wo es noch Übergänge nach Polen existieren. Und wer die ganze Reise auf eigene Faust unternehmen will, landet früher oder später an einem unüberwindbaren Grenzzaun. 

Diese sogenannte „Lukaschenko Route“ hat sich seit einigen Monaten als die 2.0 Landroute nach Europa gut etabliert. Besonders seit Ende Mai dieses Jahres, als der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko sich selbst zum Chefschleuser der östlichen europäischen Staaten avancierte. 

Kurz zuvor hatte er Luftpiraterie begangen. Eine irische Maschine über Belarus zur Landung in Minsk gezwungen und einen Oppositionellen seines Regimes aus der Maschine herausgeholt, ihn dann in seinem Folterkeller eingesperrt. Wegen dieser Piraterie führten 27 Staaten der EU Sanktionen gegen Lukaschenkos Belarus ein. Der belarussischen Fluglinie „Belavia“ wurden die Überflugrechte im europäischen Luftraum gestrichen. Und die Fluglinien der EU boykottierten ab Mai 2021 den Flughafen Minsk und Lukaschenkos Himmel. 

Aber der Chefschleuser Lukaschenko ahnte, dass Embargopläne in der kapitalistischen Welt stets nicht eingehalten werden, und witterte ein lukratives Geschäft. 

Er benutzt den gleichen Trick, den 2015 der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan erfunden hat, um die EU zu erpressen. So wie der türkische Diktator schickt Lukaschenko die Geflüchteten, die in Minsk eintreffen, ohne die lästigen Visaformalitäten gen Westen, gen Deutschland, wo alle Geflüchtete, ehe hin wollen. Lukaschenko will, dass die EU, wie im Fall Erdogan damals, ihm einige Milliarden überweist, damit er den Flüchtlingsstrom stoppt. Und natürlich verlangt er auch die Aufhebung aller Sanktionen gegen sein Land. Ob er allerdings mit seinem Erpressungsversuch Erfolg haben wird? Das glaube ich nicht.

Ich glaube es nicht, schon allein durch die Gegebenheiten der Grenzlage zwischen Belarus und Polen, und vor allem durch die effiziente Absicherung der Grenze durch die polnischen Sicherungstruppen. Demnächst wird der Grenzzaun entlang der Demarkationslinie fertig gestellt sein. Dann ist ein Durchkommen für Geflüchtete, auch mit Hilfe von Schleusern kaum noch möglich. 

Das belarussische Institut für Strategie und Forschung, BISS, schätzt, dass derzeit mehrere Hundert bis mehrere Tausend Geflüchtete in Belarus herumirren und den Weg nach Polen suchen. Und laut BISS lassen die belarussischen Behörden inzwischen aber nicht mehr so viele Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika ins Land. Die Perspektive, dass Tausende Geflüchtete längerfristig im Land bleiben, sei nicht im Interesse von Lukaschenko, betont BISS: „Im Gegenteil, das wird zur Bedrohung seiner Macht.“[Fußnote 4]

Das heißt die sogenannte „Push-Backs“, das Zurückdrängen der Geflüchteten nach Belarus zeigen an der polnischen Grenze Wirkung, wie an der EU Außengrenze in Griechenland auch. 

Noch steht die Luftbrücke nach Minsk. Der nationale Flughafen Minsk, wird derzeit von mehr Flugzeugen angeflogen, als vor dem Akt der Luftpiraterie im Mai. 

Zum Beispiel aus Istanbul: Drei Direktflüge täglich. 

Aus dem Flugplan der Turkish Airlines

Über die Türkei führen viele Wege nach Minsk. Eine kleine Anfrage im Internet und der Flüchtling nach Frankfurt an der Oder hat unzählige Flugverbindungen. So verschickt Erdogan Flüchtlinge weiter nach Deutschland, und hält auf der anderen Seite die Hand auf, um mehr Milliarden von der EU zu kassieren. Geld, um zu verhindern, dass die Syrer, Iraker, Afghanen und andere Flüchtlinge aus allen Herren Ländern der Welt nicht nach Europa flüchten.

Inzwischen fliegt selbst die syrische Airline Cham Wings nonstop Minsk. Aus Damaskus. Für „syrische Geflüchtete“ – vor wem sie auch immer flüchten – eine gute und schnelle Verbindung. 

Die Iraker haben Minsk bis vor kurzem direkt angeflogen. Aus dem irakischen Kurdistan, aus Erbil. Aber die Kurden in Erbil stellten diese Route auf Anraten der Europäer und der USA ein. Jetzt fahren die Kurden über die Grenze in die Türkei, oder nehmen den Flug aus Erbil nach Istanbul, um dann direkt in Minsk einzutreffen.

Die Lukaschenko-Route ist inzwischen beliebter als die mühsame Bootsfahrt zu einer griechischen Insel in der Ägäis. Die Grenze zur Türkei auf dem Lande ist so gut wie mit einer Mauer gesperrt, und im Meer werden die Boote mit den Geflüchteten von der griechischen Küstenwache zurückgedrängt. Das sind eben die berühmt berüchtigten „Push Backs“. 

Die Zahl der Geflüchteten, die in Griechenland ankommen, geht rapide zurück. Von Januar bis August dieses Jahres kamen insgesamt 6300 Geflüchtete in Griechenland an. Rund 2.300 von ihnen erreichten die Küste Griechenlands über den Seeweg.[Fußnote 5]

In diesem Sommer hat ein BBC-Fernsehteam einen Dokumentarfilm über Geflüchtete produziert. Wirtschaftsflüchtlinge, die aus Syrien stammen und via Minsk nach Deutschland kamen.[Fußnote 6] Die Reise der Gruppe beginnt am Flughafen Erbil, im irakischen Kurdistan. Natürlich hatte die Gruppe der Geflüchteten vorher Kontakt zu den Schleusern aufgenommen. Und die Schleuser haben die ganze Reise samt Flug, Unterkunft und Visa vorbereitet. Die irakischen Luftlinien hatten schon zu dem Zeitpunkt ihre Flüge nach Minsk eingestellt. Dennoch hat die Gruppe die Wahl über Istanbul, Damaskus oder über Dubai nach Minsk zu fliegen.

Ihre Unterkunft in Minsk, Hotel Sputnik, ist vorab von den Schleusern gebucht worden. Die Reise aus Erbil bis zu diesem Hotelzimmer in Minsk soll schon mal 5.000 US-Dollar gekostet haben. 

Danach geht der gefährliche und anstrengendere Teil der Einschleusung in die EU los.

Die Gruppe wird in einem Fahrzeug zum zur Grenze gebracht. Sie versuchen, am Dreiländereck Polen-Litauen die Grenze zu überqueren. Aber sie werden dabei von der Polizei Litauens erwischt, werden fotografiert und wieder nach Belarus zurückgeschickt. Die Gruppe kehrt zurück zum Hotel Sputnik in Minsk und wartet dort 11 Tage auf den nächsten Schleuser.

Er bringt sie an die polnische Grenze, in die Nähe von Brest. Dann steigen sie in ein Panzerfahrzeug der belarussischen Armee, das die Geflüchteten praktisch bis an den Grenzzaun fährt. Hier sollen die Soldaten den Stacheldrahtzaun zu Polen schon beseitigt haben. Auf der anderen Seite wartet auf sie ein Transporter, und bringt sie nach Deutschland. Die anschließende Bahnfahrt nach Frankfurt am Main ist für die Gruppe fast eine Erholung. Für 11.000 US-Dollar sind sie knapp nach 14 Tagen bei der Verwandtschaft am Main. Da sie an der Grenze nicht registriert wurden, stehen sie nicht auf der Statistik der über Minsk eintreffenden Geflüchteten, denn sie sind nicht in Sachsen oder in Brandenburg in einem Lager gelandet. 

Die Lukaschenkoroute ist für einen nicht politisch Verfolgten zwar eine teure, aber derzeit die einfachste und gefahrenloseste Möglichkeit zu sein, um nach Deutschland zu gelangen.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt bei vielen unbeliebt machen werde: 

Diese Route nutzt kaum einem politischen Flüchtling, denn unterwegs sind zu viele Passkontrollen, und der Weg in die Sicherheit führt über nicht demokratischen Staaten mit korrupter Polizei und Justiz. Es ist nicht sicher gestellt, ob Belarus einen politischen Flüchtling aufnimmt, oder zurückschickt, zum Beispiel zurück an die Türkei. 

Ankara und Minsk, Lukaschenko und Erdogan, rühmen sich seit Jahren mit besten Beziehungen zueinander. Für türkische Staatsbürger ist die Visumpflicht schon seit 2014 aufgehoben. Die belarussischen Sicherheitsbehörden haben bei der Verfolgung von flüchtigen Anhängern der Gülen-Bewegung in Minsk viel Lob des türkischen Autokraten erhalten. Lukaschenko würde keine Sekunde zögern, einen politischen Flüchtling aus der Türkei zu seinem Kumpel Erdogan auszuhändigen.

Wie ist diese Route über Minsk zu stoppen, wenn sie demnächst nicht vom Chefschleuser Lukaschenko selbst geschlossen wird?

Die Lösungen klingen einfach, deren Durchsetzung verlangt Solidarität, die innerhalb der EU leider Mangelware ist. 

Deutschland und andere EU Staaten könnten angesichts der illegalen Migration über Belarus verstärkt gegen beteiligte Fluggesellschaften vorgehen. Diese Idee stammt nicht nur von den Innenministern Sachsens und Brandenburgs, sondern in erster Linie vom geschäftsführenden Bundesaußenminister Heiko Maas.[Fußnote 7]

“Wir sind nicht länger bereit, zu zu sehen, dass es auch Unternehmen gibt wie Fluggesellschaften, die damit auch noch Geld verdienen“, sagte der Außenminister Heiko Maas (SPD) nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus der EU in Luxemburg.[Fußnote 8] Es gehe darum, ergänzte ihm einige Tage später ein Sprecher des Außenministeriums, im Rahmen der EU das Sanktionsregime so zu erweitern, dass außerhalb von Belarus tätige Fluggesellschaften und Reiseunternehmen mit Bestrafungen bedroht werden, wenn sie sich an Schleusungen beteiligen.[Fußnote 9] Dazu lägen von deutscher Seite eingebrachte Vorschläge in Brüssel vor. „Wir sind jetzt dabei zu versuchen, so schnell wie möglich entsprechende Beschlüsse des Rats hoch zu fassen“, sagte der Sprecher weiter.

Das klingt zwar kämpferisch, eignet sich nicht mal, um damit selbst im Wahlkampf Stimmung zu erzeugen. 

Was heißt es dann konkret: Alle EU Staaten schließen ihre Flughäfen zum Beispiel für die Fluggesellschaften Turkish Airlines und Aeroflot. Das sind hauptsächlich die beiden „Asylbewerber-Carriers“ nach Minsk. 

Geht das überhaupt rechtlich? Ich weiß es nicht. Ich glaube es nicht, denn wie soll einer Flugzeuggesellschaft nachgewiesen werden, dass sie Geflüchtete nach Minsk fliegt.

Ich glaube, die Politik sollte langsam den Wahlkampfmodus abschalten. Mit ein paar tausend Wirtschaftsflüchtlingen aus Polen wird die Bundesrepublik nicht untergehen. Und diesen Unsinn mit der „hybriden Kriegsführung“ müsste man auch überdenken. Viele der Flüchtlinge kommen aus Syrien, Irak oder aus Afghanistan. Denen soll kein deutscher Politiker versuchen weiß zu machen, dass sie, ihre Frauen und Kinder jetzt „Waffen einer hybriden Kriegsführung“ seien. Der Politik obliegt, zu bedenken, zu welchen Feindbildern in der Bevölkerung solche Aussagen führen könnten. Und mit welchen fatalen Folgen.

Laut der sogenannten gültigen Dublin-Verordnung, die alle EU Staaten irgendwann einmal akzeptiert haben, wären für die Aufnahme und für die Asylverfahren der Geflüchteten aus Minsk Litauen und Polen zuständig. Aber nur, wenn ein Geflüchteter von den Behörden dort registriert, „aufgenommen“ wird. Daher wird in Litauen und in Polen die Registrierung eines Geflüchteten möglichst vermieden. Man schiebt sie zurück. Mit stillschweigendem Einvernehmen anderer EU Staaten. Oder habt ihr einen deutschen Bundesminister gehört, der sich über die Push-Backs in Polen oder in Griechenland aufgeregt hätte?

Die Flüchtlinge wollen nach Deutschland. Und nur nach Deutschland.

Es steht jetzt schon fest, dass Deutschland dieses Jahr die 100.000 er Marke wieder überschreiten wird. Über 100.000 asylsuchende Geflüchtete, wobei 34.000 Migranten davon stammen, laut Aussage des geschäftsführenden Bundesinnenministers, aus Griechenland. Das sind Flüchtlinge, die schon in Griechenland einen Asylantrag gestellt haben, oder gar dort schon Schutz bekommen haben und jetzt in Deutschland erneut einen Asylantrag stellen. So ein Asylverfahren dauert in der Regel Jahre und derzeit dürfen die abgelehnten Asylbewerber nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden. In den meisten Herkunftsländern herrscht Krieg. 

Alle wollen nach Deutschland.

Laut der Statistik der europäischen Asylagentur EASO liegen die Asylbewerberzahlen in anderen europäischen Staaten in den ersten drei Quartalen dieses Jahres weit unter den Zahlen der Bundesrepublik. Frankreich hatte im gleichen Zeitraum 54.105 Asylbewerber, Spanien 41.799, Italien 37.492 und Österreich 22.928. Es gibt keine Umfragen, warum Deutschland bei den Geflüchteten im Gegensatz zu anderen Staaten so beliebt ist.[Fußnote 10]

Es ist halt so, und wir sollten uns demgemäß richten. Und nach 16 Jahren Stillstand in der Migrations- und Asylpolitik was Neues probieren.

So denken anscheinend auch die Ampelkoalitionäre, und wir können gespannt sein, über die neue Flüchtlingspolitik der kommenden Bundesregierung. Die künftige Regierung der Bundesrepublik scheint in der Aufenthalts- und Migrationspolitik weitreichende Änderungen zu planen. So steht es zumindest in dem jüngst veröffentlichten Papier über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grüne und FDP.

Im Papier wird festgeschrieben, Deutschland sei ein modernes Einwanderungsland. „Daher wollen wir ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht schaffen“.

Die zu erwartende Konkretisierung dieses Satzes im Sondierungspapier steht in den Wahlprogrammen der drei Parteien. Darin kündigt die SPD an, bestehende Hürden bei Einbürgerung abschaffen zu wollen. Dafür will sie die bisher geltende Mindestaufenthaltsdauer von acht Jahren verkürzen. Die FDP geht in ihrem Wahlprogramm weiter als die SPD. Sie will nach vier Jahren den vereinfachten Zugang zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ermöglichen. Die Grünen fordern, dass die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland erworben werden kann, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Noch größere, ja fast revolutionäre Veränderungen planen die Ampelkoalitionäre im Bereich des Wechsels von der Asyl- in die Arbeitsmigration. Das wird die neue Möglichkeit des „Spurwechsels“ sein. Diejenigen, die in Deutschland integriert seien und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, werden schneller einen recht sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Damit bekäme etwa ein abgelehnter Asylbewerber die Chance als regulärer Ausländer im Land zu bleiben. 

Was vor allem neu sein wird, -zumindest spricht vieles dafür-, dass der Druck auf die Institutionen des Asylrechts, der Verwaltungsgerichte usw. abgemildert wird. 

Bis jetzt kommen die sogenannten Armutsflüchtlinge unter dem Vorwand – politische Verfolgung – hierher, denn sonst haben sie keine Bleibeperspektive. 

In der Zukunft soll sich das ändern. Die Koalitionsparteien diskutieren über den sogenannten „Spurwechsel“. Den Armutsflüchtlingen wird ein Spurwechsel angeboten. Sie sollen in Zukunft die Einwandererspur benutzen. Auch ohne ein Jobangebot werden Migranten zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen dürfen. „Die Steuerung soll hier über Kriterien wie Bildungsgrad, Deutsch oder auch gute Englischkenntnisse, Alter, Berufserfahrung und den aktuellen Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt erfolgen“, heißt es FDP Programm. 

Ich weiß es nicht, ob es klappen könnte, dieser Spurwechsel. Die Fachleute reden jährlich von 400.000 arbeitssuchenden Einwanderern, welche die deutsche Botschaft dringend brauche. Wer garantiert es, dass es nicht 500.000 oder 800.000 werden? Wir haben derzeit 2,4 Millionen Arbeitslose im Land. Jedes Jahr 400.000 arbeitssuchende Ausländer dazu? Wo werden sie wohnen die Neuankömmlinge? Wohnungen sind in Deutschland mehr als knapp. In welche Schulen werden ihre Kinder ausgebildet? 

Viele Fragen. Hat jemand Antworten drauf? Nein! 

Aber auf jeden Fall wird ein solcher „Spurenwechsel“ die Asylverfahren erheblich dezimieren, die Gerichte entlasten. Und nach 16 Jahren Stillstand in der Migration- und Asylpolitik muss was Neues geschehen. Also, wechseln wir mal die Spur und hoffen das Beste.

[Fußnote 1] Vgl. Sächsische Zeitung vom 21.10.2021

[Fußnote 2] Vgl. FAZ, 28.10.2021

[Fußnote 3] Ebenda, FAZ 28.10.2021

[Fußnote 4] Vgl., SRF News 30.10.2021, um 9:40 Uhr

[Fußnote 5] Flüchtlinge in Griechenland, UNO Flüchtlingshilfe, https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/griechenland

[Fußnote 6] BBC News, Türkce, https://www.bbc.com/turkce/haberler-dunya-59009672

[Fußnote 7] Vgl. Welt+, 18.10.2021

[Fußnote 8] Vgl. Zeit-Online, 18.10.2021 um 13:07 Uhr

[Fußnote 9] Vgl. afp – Agence France Press, 22.10.2021 um 14:42 Uhr

[Fußnote 10] Vgl. Welt am Sonntag (D-Ausgabe), 17.10.2021