Bericht Türkei 2022 – Human Rights Watch

übersetzt aus dem Englischen von Kamil Taylan

Die autoritäre und stark zentralisierte Präsidialregierung von Recep Tayyip Erdoğan hat die Menschenrechtsbilanz der Türkei um Jahrzehnte zurückgeworfen, indem sie vermeintliche Regierungskritiker und politische Gegner ins Visier nahm, die Unabhängigkeit der Justiz zutiefst untergrub und die demokratischen Institutionen aushöhlte. Die Türkei ist aus dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der so genannten Istanbul-Konvention, ausgetreten, was eine erhebliche Verschlechterung der Frauenrechte bedeutet.

Freiheit der Meinungsäußerung, Koalitions- und Versammlungsfreiheit

Während sich die meisten Nachrichtenagenturen im Besitz von Unternehmen mit engen Verbindungen zur Regierung befinden, sind unabhängige Medien in der Türkei hauptsächlich über Online-Plattformen tätig, werden jedoch regelmäßig Inhalte entfernt oder strafrechtlich verfolgt, wenn sie kritisch über hochrangige Regierungsvertreter und Mitglieder der Familie von Präsident Erdoğan berichten oder als Straftatbestand im Sinne des äußerst restriktiven Anti-Terror-Gesetzes der Türkei gelten. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts befanden sich 58 Journalisten und Medienmitarbeiter wegen ihrer journalistischen Tätigkeit oder ihrer Verbindung zu den Medien in Haft oder verbüßten Strafen wegen Terrorismusdelikten.

Im November stoppte das oberste Verwaltungsgericht der Türkei die Umsetzung eines Rundschreibens des Innenministeriums vom April, das Bürgern oder Journalisten die Aufnahme von Videos oder Fotos von Polizeibeamten im Dienst verbietet, mit der Begründung, dass dies die Freiheit der Berichterstattung und der Medien einschränke.

Nach heftiger Kritik in den sozialen Medien an der Reaktion der Behörden auf die Waldbrände in der bewaldeten Mittelmeerregion der Türkei kündigte die Regierung Pläne an, die Beschränkungen für soziale Medien weiter zu verschärfen, indem sie „Desinformation“ über soziale Medien zu einer Straftat erklärt, die mit einer Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren geahndet wird. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts lag noch keine Gesetzesänderung vor. Bereits jetzt werden jedes Jahr Tausende von Menschen wegen ihrer Beiträge in den sozialen Medien verhaftet und strafrechtlich verfolgt, meist wegen Verleumdung, Beleidigung des Präsidenten oder Verbreitung terroristischer Propaganda.

Große Social-Media-Plattformen wie YouTube, Facebook und Twitter hielten sich an eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020, die sie dazu verpflichtete, Büros in der Türkei einzurichten, was Befürchtungen aufkommen ließ, dass sie in Zukunft gezwungen sein könnten, sich stärker an die staatliche Zensur zu halten, um hohe Geldstrafen und andere Sanktionen zu vermeiden.

Die Provinzbehörden haben die Verordnung Covid-19 selektiv als Vorwand praktiziert, um friedliche Proteste von Studenten, Arbeitnehmern, politischen Oppositionsparteien und Aktivisten für die Rechte von Frauen, Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) zu verbieten. Die Ernennung eines nicht gewählten Rektors der renommierten Boğaziçi – Universität durch Präsident Erdoğan löste Proteste aus, die mit einem gewaltsamen Vorgehen der Polizei und der strafrechtlichen Verfolgung von Dutzenden von protestierenden Studenten beantwortet wurden.

Rückschritte bei den Rechten von Frauen und LGBT

Die Türkei ist das erste Land, das aus der Istanbul-Konvention ausgetreten ist. Der Schritt im März stieß international auf breite Kritik und löste Proteste von Frauenrechtsgruppen aus. Er bedeutet einen großen Rückschlag für die Bemühungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Förderung der Frauenrechte in der Türkei. Regierungsvertreter rechtfertigten den Rückzug und versuchten, konservative Wähler mit der fadenscheinigen Behauptung anzusprechen, dass die Konvention „Homosexualität normalisiert“. In der Türkei werden jährlich Hunderte von Frauen ermordet, und die Zahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt ist nach wie vor hoch.

Die Regierung hat den jährlichen LGBT-Pride-Marsch in Istanbul zum siebten Mal in Folge verboten, und die Polizei hat Demonstranten gewaltsam auseinandergetrieben und festgenommen. Hochrangige Regierungsvertreter haben bei mehreren Gelegenheiten in ihren politischen Reden die Diskriminierung von LGBT-Menschen angegriffen und gefördert.

Menschenrechtsverteidiger

Die vierjährige Inhaftierung und der laufende Prozess gegen Osman Kavala, eine führende Persönlichkeit der Zivilgesellschaft, sind ein Beispiel für den enormen Druck auf Menschenrechtsgruppen und andere regierungskritische Nichtregierungsorganisationen (NGO). Kavala steht wegen unbegründeter Anschuldigungen im Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten 2013 und dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 vor Gericht. Die Türkei hat sich über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinweggesetzt, in dem seine sofortige Freilassung wegen unzureichender Beweise angeordnet wurde. In dem Urteil wurde festgestellt, dass die Inhaftierung Kavalas darauf abzielte, ihn als Menschenrechtsverteidiger zum Schweigen zu bringen.

Die Behörden praktizieren weiterhin Terrorismus- und Verleumdungsvorwürfe, um Menschenrechtsverteidiger zu schikanieren und ihr Recht auf Versammlung zu verletzen. Der Kassationsgerichtshof muss noch die Verurteilungen von Taner Kılıç, dem ehemaligen Vorsitzenden von Amnesty International in der Türkei, und drei weiteren Personen wegen ihrer Teilnahme an einem Workshop zur Menschenrechtserziehung im Jahr 2020 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Terrorismus überprüfen.

Am 15. Februar verurteilte ein Istanbuler Gericht Eren Keskin, die Ko-Vorsitzende der Menschenrechtsvereinigung, wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ aufgrund ihrer Rolle als Mitherausgeberin der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem. Sie hat Berufung eingelegt. Am 19. März wurde der Ko-Vorsitzende von Keskin, Öztürk Türkdoğan, kurzzeitig festgenommen; gegen ihn wird weiterhin wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ ermittelt und ein Reiseverbot verhängt. Zwei Aktivistinnen der in Diyarbakır ansässigen Rosa Women’s Association haben gegen ihre Verurteilung wegen desselben Vorwurfs Berufung eingelegt, und gegen andere Mitglieder der Vereinigung wird weiterhin strafrechtlich ermittelt.

Im Januar ist das Gesetz zur Verhinderung der Finanzierung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in Kraft getreten. Obwohl die Türkei das Gesetz damit begründet, dass das Land die verbindlichen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Verhinderung der Finanzierung des Terrorismus und der Verbreitung von Waffen einhalten wolle, stattet das Gesetz das Innenministerium mit größeren Befugnissen aus, um die legitimen und rechtmäßigen Aktivitäten von NGO und das Vereinigungsrecht ihrer Mitglieder ins Visier zu nehmen.

Folter und Misshandlung im Gewahrsam, Verschwindenlassen von Personen

Es gab wenig Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft bei der Untersuchung der in den letzten fünf Jahren vermehrt erhobenen Vorwürfe von Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam und Gefängnis Fortschritte gemacht hat. Nur wenige derartige Vorwürfe führen zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Sicherheitskräfte, und es herrscht nach wie vor eine weit verbreitete Kultur der Straflosigkeit.

In zwei Urteilen vom Mai 2021 stellte das Verfassungsgericht Verstöße gegen das Misshandlungsverbot fest und ordnete neue Ermittlungen zu Beschwerden an, die von der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt ihrer Einreichung im Jahr 2016 abgewiesen worden waren. Die eine betraf die Klage eines männlichen Lehrers A. A. in der Stadt Afyon wegen Folter und Vergewaltigung in Polizeigewahrsam, die zweite die Klage eines männlichen Lehrers E. B. in Antalya, der behauptete, die Polizei habe ihn in Gewahrsam gefoltert und ihn zu einer Notoperation gezwungen.

Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Fall von Osman Şiban und Servet Turgut, zwei kurdischen Männern, die im September 2020 von Militärangehörigen in ihrem Dorf im Südosten des Landes festgenommen, in einem Hubschrauber abtransportiert und später von ihren Familien schwer verletzt im Krankenhaus aufgefunden wurden, wurden keine Fortschritte gemeldet. Turgut starb an seinen Verletzungen.

Im Fall des privaten Sicherheitsbeamten Birol Yıldırım, der am 5. Juni in Istanbul in Polizeigewahrsam starb, wurde ein stellvertretender Polizeipräsident festgenommen, der zusammen mit elf weiteren Polizeibeamten vor Gericht steht, nachdem die Medien Wochen zuvor Kamerabilder veröffentlicht hatten, auf denen zu sehen war, wie er von der Polizei geschlagen wurde.

Die Ermittlungen zu den genauen Umständen des Todes von Kadir Aktar, 17, am 19. Februar im Kindergefängnis von Maltepe dauern an. In den Medien wurde der Tod als Selbstmord dargestellt, doch die medizinischen Unterlagen enthalten deutliche Hinweise darauf, dass Aktar in Polizeigewahrsam misshandelt wurde.

Es wird immer wieder über Entführungen und gewaltsames Verschwindenlassen berichtet, das nicht ordnungsgemäß untersucht wird. Diejenigen, die am längsten verschwunden sind, sind Personen, denen die Behörden Verbindungen zu der Bewegung des in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vorwerfen, die in der Türkei als terroristische Organisation für den Militärputschversuch vom Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Hüseyin Galip Küçüközyiğit, ein ehemaliger Beamter, verschwand am 29. Dezember 2020 in Ankara. Am 14. Juli teilten die Behörden seiner Familie mit, dass er sich in Untersuchungshaft befinde. Seit über sieben Monaten gab es keine Informationen über seinen Verbleib. Yusuf Bilge Tunç, ein weiterer ehemaliger Staatsbediensteter, blieb nach seinem Verschwinden im August 2019 verschwunden.

Die türkischen Behörden bemühten sich weiterhin um die Auslieferung von mutmaßlichen Anhängern der Gülen-Bewegung, darunter viele Lehrer, aus Ländern in aller Welt. Einige Länder, die den Ersuchen der Türkei nachkamen, umgingen rechtliche Verfahren und gerichtliche Überprüfungen und beteiligten sich an Entführungen, gewaltsamem Verschwindenlassen und der illegalen Überstellung von Personen. Zwei solcher Fälle im Jahr 2021 waren die Entführung von Orhan İnandı, einem Schuldirektor in Kirgisistan, am 31. Mai und seine Überstellung in die Türkei sowie die Ankündigung der Türkei am 31. Mai, dass sie Selahaddin Gülen, einen türkischen Staatsangehörigen und registrierten Asylbewerber in Kenia, „gefangen“ genommen und in die Türkei überstellt habe.

Einige Personen, die in der linken oder kurdischen Politik aktiv sind, berichteten, dass sie von Sicherheitskräften in Zivil entführt und an unbekannten Orten für kürzere Zeit festgehalten wurden. Ein solcher Fall war der von Gökhan Güneş, der bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattete, weil er am 20. Januar in Istanbul entführt, verhört und gefoltert und am 26. Januar wieder freigelassen worden war, woraufhin die Staatsanwaltschaft im September entschied, dass der Fall nicht weiter verfolgt werden könne. Seine Anwälte haben Berufung eingelegt.

Kurdenkonflikt und Niederschlagung der Opposition

Gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße zwischen dem Militär und der bewaffneten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fanden weiterhin in ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei statt, obwohl die Türkei ihre militärische Kampagne einschließlich Drohnenangriffen auf die Region Kurdistan im Irak konzentriert hat, wo sich die PKK-Stützpunkte befinden. Im Februar meldete das türkische Militär, dass bei einer Operation zur Rettung von 13 Soldaten und Polizisten, die von der PKK im Nordirak als Geiseln gehalten wurden, die 13 von der PKK getötet worden seien.

Im Jahr 2021 intensivierte die Erdogan-Regierungskoalition ihre laufende Kampagne zur Kriminalisierung der legitimen politischen Aktivitäten der oppositionellen Demokratischen Volkspartei (HDP), die bei den Parlamentswahlen 2018 landesweit 11,7 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Die Regierung weigert sich, zwischen der HDP und der PKK zu unterscheiden. Es gab physische Angriffe auf HDP-Büros, vor allem im Juni in der westlichen Provinz Izmir, wo ein Bewaffneter das Parteimitglied Deniz Poyraz erschoss.

Zahlreiche ehemalige HDP-Politiker, darunter auch Bürgermeister, befinden sich in Untersuchungshaft oder verbüßen Haftstrafen, nachdem sie aufgrund ihrer legitimen gewaltfreien politischen Aktivitäten, Reden und Beiträge in sozialen Medien wegen Terrorismus verurteilt wurden. In einem solchen Fall, der im Mai begann, mussten sich Dutzende aktueller und ehemaliger HDP-Politiker, darunter die inhaftierten ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, in einem neuen Verfahren wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei den gewalttätigen Protesten vom 6. bis 8. Oktober 2014 verantworten, bei denen 37 Menschen starben. Die früheren laufenden Verfahren gegen Demirtaş und Yüksekdağ wurden mit diesem Verfahren zusammengelegt. Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht abgeschlossen.

Im Juni akzeptierte das Verfassungsgericht eine vom Chefankläger des Kassationsgerichts eingereichte Anklageschrift, mit der 451 Politikern und Parteifunktionären ein fünfjähriges Verbot politischer Aktivitäten auferlegt werden sollte, um die HDP dauerhaft zu schließen. Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch nicht abgeschlossen.

Der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu wurde im Juli aus dem Gefängnis entlassen und wieder in sein Parlamentsmandat eingesetzt, nachdem das Verfassungsgericht festgestellt hatte, dass eine Verurteilung wegen eines Beitrags in den sozialen Medien, die im März zu seinem Ausschluss aus dem Parlament und im April zu seiner Inhaftierung geführt hatte, gegen seine Rechte verstieß.

Die Türkei rechtfertigt ihre militärischen Einfälle in Gebiete im Nordosten Syriens im Januar 2018 und Oktober 2019 als Teil ihrer Bemühungen zur Bekämpfung von PKK-Mitgliedsorganisationen, hält weiterhin Gebiete besetzt und hat syrische Staatsangehörige illegal in die Türkei überstellt, damit sie dort wegen Terrorismus angeklagt werden, was zu lebenslanger Haft führen kann.

Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten

Die Türkei beherbergt weiterhin die weltweit größte Zahl von Flüchtlingen, etwa 3,7 Millionen aus Syrien, denen ein vorübergehender Schutzstatus gewährt wurde, und über 400.000 aus Afghanistan, dem Irak und anderen außereuropäischen Ländern, die nach türkischem Recht nicht vollständig als Flüchtlinge anerkannt werden können.

In Fortführung ihrer Politik der Grenzsicherung gegen die Einreise weiterer Asylbewerber und Migranten hat die Türkei im Jahr 2021 den Bau einer Mauer entlang ihrer Ostgrenze zum Iran fortgesetzt und Afghanen und andere Personen, die beim Versuch, die Grenze zu überqueren, aufgegriffen werden, kurzerhand zurückgewiesen.

Es gibt Anzeichen für eine Zunahme rassistischer und fremdenfeindlicher Übergriffe gegen Ausländer. Am 10. August griffen Gruppen von Jugendlichen Arbeitsplätze und Wohnungen von Syrern in einem Viertel in Ankara an – einen Tag nach einer Schlägerei, bei der ein syrischer Jugendlicher zwei türkische Jugendliche niedergestochen und einen von ihnen getötet haben soll. Zwei syrische Jugendliche sind wegen Mordes angeklagt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Dutzende von Jugendlichen wegen Sachbeschädigung, Diebstahls und anderer Straftaten dauern an. Oppositionspolitiker haben in Reden flüchtlingsfeindliche Stimmungen geschürt und vorgeschlagen, dass Syrer in das vom Krieg zerrissene Syrien zurückgeschickt werden sollten.

Es gab Berichte, auch von der türkischen Küstenwache, dass Migranten, die versuchten, über die See- und Landgrenzen von der Türkei nach Griechenland zu gelangen, von griechischen Sicherheitskräften kurzerhand und gewaltsam zurückgedrängt wurden.

Internationale Schlüsselakteure

Die Türkei hat ein schwieriges politisches Verhältnis zur EU, das durch eine transaktionale Beziehung in Fragen wie der Migration gemildert wird. Der Beitrittsprozess der Türkei zur EU ist ins Stocken geraten. Die EU gewährt der Türkei finanzielle Unterstützung im Gegenzug für die Beschränkung der Einreise von Flüchtlingen und Migranten in die EU. Der Europäische Rat hat im Juni erneut seine Besorgnis über die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte in der Türkei zum Ausdruck gebracht, ohne die Menschenrechte zu einer Priorität in den Beziehungen zu machen.

Das Versäumnis der Türkei, verbindliche Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen, in denen die Freilassung des Menschenrechtsverteidigers Osman Kavala und des kurdischen Politikers Selahattin Demirtaş gefordert wurde, hat die Beziehungen der Türkei zum Europarat beeinträchtigt. In seiner Septembersitzung bekräftigte das Ministerkomitee des Europarats seine Forderung nach der sofortigen Freilassung der beiden Männer und beschloss, dass die Nichtfreilassung von Osman Kavala bis zur Dezembersitzung die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Türkei nach sich ziehen würde, eine Sanktionsmethode, die eine weitere Klage vor dem Europäischen Gerichtshof beinhaltet und bisher nur einmal gegen einen Mitgliedstaat des Europarats praktiziert wurde.

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, die UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und das UN-Menschenrechtsbüro haben, die Türkei für ihren Rückzug aus der Istanbul-Konvention kritisiert.

Die tiefe Krise in den türkisch-amerikanischen Beziehungen setzte sich auch unter der Regierung Biden fort. Zu den zahlreichen Gründen gehören der Kauf russischer S-400-Raketen durch die Türkei, die Anwesenheit von Fethullah Gülen auf amerikanischem Boden und die Unterstützung der USA für kurdisch geführte Kräfte im Nordosten Syriens. Zum ersten Mal hat das US-Außenministerium die Türkei auf die Liste der Länder gesetzt, die im Zusammenhang mit ihrer Unterstützung für eine bewaffnete syrische Oppositionsgruppe Kindersoldaten praktizieren (2021). Außerdem erkannte die Regierung Biden den von der osmanischen Regierung vor 100 Jahren begangenen Völkermord an den Armeniern offiziell an.

Im Oktober ratifizierte die Türkei das Pariser Abkommen, den internationalen Vertrag über den Klimawandel, der im Dezember 2015 in Paris angenommen wurde, und verpflichtete sich gleichzeitig, bis 2053 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Als einer der 20 größten Treibhausgasemittenten der Welt trägt die Türkei zu der Klimakrise bei, die immer mehr Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt nach sich zieht.

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